1 Einführung
Diese Vorlesung ist für Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger konzipiert. Sie behandelt schwerpunktmässig die physikalischen und chemischen Vorgänge in der Atmosphäre. Andere Sphären (z.B. Hydrosphäre und Kryosphäre) werden nur soweit einbezogen, als dass sie für das Verständnis der Vorgänge im gesamten Klimasystem von Bedeutung sind. Im Literaturverzeichnis ist vor allem Grundlagenliteratur für Anfängerinnen und Anfänger aufgelistet. Wer einen schönen Überblick über die dynamischen Vorgänge im gesamten Klimasystem erhalten möchte, studiere einmal die wichtigsten Kapitel der Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Die Atmosphäre ist ein Fluidum, in dem turbulente Vorgänge eine wichtige Rolle spielen. Die Vorgänge in der Luft sind jenen innerhalb des Wassers oder des Eises ähnlich. Physik und Chemie der Solida (Gesteine und Böden) sind sehr verschieden. Die Atmosphäre wird im Rahmen der Vorlesung als Kontinuum betrachtet, d.h. molekulare Strukturen und Prozesse werden oft vernachlässigt. Mit ihrer kleinen Masse, ihrer starken Turbulenz und den grossen Transportdistanzen weist die Atmosphäre ein relativ grosses Selbstreinigungsvermögen auf. Eine Betrachtung der atmosphärischen Vorgänge muss sich deshalb intensiv mit der Kopplung der unterschiedlichen Skalen von lokal bis global beschäftigen. Zuerst werden zwei Klimadefinitionen exemplarisch diskutiert. Es geht vor allem darum, die Begriffe Klima und Wetter zu unterscheiden, die wichtigsten Zustandsparameter und Faktoren des Klima- und Wettersystems zu definieren und die Bedeutung wichtiger statistischer Masszahlen und Methoden zu betonen.
Die Betrachtung des Klimasystems bildet die Grundlage der Meteorologie und Klimatologie. Die Komplexität der Vorgänge hängt unter anderem damit zusammen, dass die typischen Zeitskalen der Vorgänge in den einzelnen Teilsphären des Klimasystems sehr unterschiedlich sind (von Sekunden und Stunden bis zu Jahrmillionen). Für das Verständnis langfristiger Vorgänge ist es sinnvoll, drei wichtige Verhaltensweisen des Klimasystems abzugrenzen: Transitiv, intransitiv und quasiintransitiv. Beim Studium des Wetters, also von Vorgängen der Zeitskala Sekunden bis Tagen muss nur die Atmosphäre als variabel angenommen werden. Ihre Nachbarsphären können grob als invariabel ("fixed boundary conditions") angenommen werden. Stockwerke und Zusammensetzung der Atmosphäre weisen auf die zentrale Stellung des Wassers hin, das in der Atmosphäre in allen drei Aggregatszuständen auftritt. Für das Verständnis der Vorgänge an der Erdoberfläche sind vor allem die zwei untersten Schichten von Bedeutung: Troposphäre (mit der Atmosphärischen Grenzschicht) und Stratosphäre. In den letzten Jahren ist das Verständnis sowohl zur Dynamik und Chemie der Stratosphäre als auch zu den Austauschprozessen zwischen Stratosphäre und Troposphäre stark gewachsen. Die Skalenkopplung wird vorzugsweise auf der Basis eines physikochemischen Gesamtsystems studiert. Dabei können den Raum- und Zeitskalen typische Phänomene und Prozesse zugeordnet werden. Zusätzlich ist es auch sinnvoll, eine räumliche Aggregierung der Skalen zu betrachten. Die Klimageographie hat als erste eine ganze Reihe von Messungen und Beobachtungsmethoden (Bodenstationen, Messfahrzeuge und -türme, Sondiersysteme und später Messflugzeuge und Satelliten) für das detaillierte Studium lokaler und regionaler Prozesse - nicht zuletzt im Hinblick auf Planungsfragen - nutzbar gemacht.